Ein Artikel von: Lennart Ruhrmann, K1
Artikel-Art: Kommentar


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Diese Erkenntnis schwebt in der Zeit nach den schriftlichen und vor den mündlichen Prüfungen über jeder Unterrichtsstunde der Kursstufe 2 und beschreibt ganz treffend unsere Motivation und Lernatmosphäre. Wenn ich in der stickigen Container-Luft dann doch noch genügend Sauerstoff und einen seltenen Moment der Klarheit verspüre, frage ich mich: Wie konnte es dazu kommen?

Schauen wir einmal zurück in die Zeit vor der Pandemie, als ungefähr im Februar bereits die ersten AbiturientInnen mit ihrer Prüfungsvorbereitung begannen. Sie erstellten eifrig Lernpläne, rechneten die Stark-Hefte von vorne bis hinten durch und fertigten Tabellen über “Faust” und “Der Steppenwolf” an, während der Rest das Lernen noch guten Gewissens aufschob.
Doch plötzlich waren die Schulen geschlossen und das Abitur verschoben, wodurch der Stress vorübergehend erträglicher wurde. Doch leider verging die Zeit während der Quarantäne wesentlich schneller, sodass wir schon bald erneut von Prüfungsängsten und nicht erfüllten Lernzielen geplagt wurden. Der Unterricht von Zuhause und das Selbstständige Lernen entpuppte sich in dieser Zeit mehr denn je als ein Griff in die Wundertüte. Gerade noch standen Politiker in der Kritik oder wurden gelobt für diese oder jene Entscheidung. Nun zeigten uns die Lehrer, dass es immer noch sie sind, die das Wissen letztendlich vermitteln – oftmals gelang dies unter den gegebenen Bedingungen mehr und manchmal auch nicht ganz so erfolgreich. Es wäre in dieser Zeit sicherlich angebracht gewesen, einigen Schülern und manchen Lehrkräften einzuschärfen, dass sie keine „Corona-Ferien“ haben und andere daran zu erinnern, dass ein Schüler, mangels Arbeitsvertrags, nicht ständig im Home-Office sein kann und darum auch keine unzähligen Überstunden für Hausaufgaben absolvieren sollte, auch wenn einige Lehrer selbst dazu bereit waren. Allerdings muss ich an dieser Stelle die oft kritisierte Digitalisierung unserer Schulen einmal loben, denn durch die kalte Dusche des Home-Schoolings waren innerhalb kürzester Zeit fast alle Lehrkräfte mit diversen Plattformen wie Teams oder GoToMeeting vertraut und jeder Schüler, der ein wenig nachhakte, kann jetzt sogar MicrosoftOffice verwenden. Die Hoffnung auf die Politik, das Abitur einfach ausfallen zu lassen, lebte natürlich trotzdem bis ganz zum Schluss, auch wenn sie bekanntlich nie erfüllt wurde.

Stattdessen durften wir den Lehrkräften ihr Leben bald schon wieder persönlich schwer machen. Mittlerweile war nämlich Mai geworden und die Prokrastinierenden wurden endlich nervös, während die vorbildlichen SchülerInnen nach nun schon vier Monaten keine weitere Formel oder Merkregel mehr in ihrem Leben ertragen konnten. Glücklicherweise gab es keine weiteren Zwischenfälle auf dem Weg zu den Abiturprüfungen, die die meisten dann tatsächlich erleichtert antraten.
Das Abitur, auf das manche gefühlsmäßig schon seit der ersten Klasse hingearbeitet hatten, war dann irgendwie doch nicht so spektakulär. Wieviel Aufwand tatsächlich dahintersteckte, uns dieses Gefühl der Normalität zu vermitteln, können wir nur erahnen. Entgegen der hohen Erwartungshaltung haben sich weder die Abläufe noch die Betrugs – und Gangkontrollen deutlich von normalen Klassenarbeiten oder den letzten Jahren unterschieden. Die Aufgaben sind nicht einfacher geworden und wer unbedingt spicken wollte, hat das bestimmt auch geschafft. Wenige sind über sich hinausgewachsen – auch nicht eine gewisse Palme – und keiner hat einen Nervenzusammenbruch erlitten – das hätte die Palme vielleicht sogar erreicht. Schlussendlich werden die Ergebnisse hoffentlich nicht so ernüchternd ausfallen wie die „Party“ nach der letzten Prüfung.

Auch wenn das Abitur für jeden Jahrgang sicherlich nicht weniger stressig wird, hat es uns Abiturienten ordentlich die Luft genommen und ernüchtert. Wir trauern – nicht um die Prüfungen und deren Ergebnisse, sondern um die Zeit danach: In vollen fünf Monaten hätten wir eigentlich die einmalige Möglichkeit gehabt, uns frei von Verpflichtungen zu entspannen, Freundschaften zu festigen und die Welt zu erkunden. Stattdessen befinden wir uns schon im Juli und stürzen immer noch von einem „Test“ in den nächsten, während anderswo Durchschnittsnoten vergeben wurden, das Schuljahr ganz beendet oder wie in Sachsen und Bremen sogar das Mathe-Abitur angehoben wurde. In ungefähr zwei Monaten werden die Sommerferien wieder vorbei sein und der Ernst des Lebens beginnen, wir könnten also froh sein über diese wertvolle Lektion, dass uns das Leben nie eine Verschnaufpause gewähren wird. 

Die Luft ist raus, nur um einen doch noch gelungenen Abschluss zu organisieren, findet sich noch Motivation. Danach haben wir uns eine Auszeit verdient, diesmal eine Richtige!


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