Ein Artikel von: Lina Preiß, K1
Artikel-Art: Reportage


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„Na – wie viele Sklaven arbeiten täglich für dich?“

Natürlich keine, würden die meisten schockiert oder auch irritiert auf diese Frage antworten. Sklaverei – dieses brutale und moralisch zutiefst zu verurteilende Thema – scheint für uns weit entfernt. Wir leben in einem Land in der keine Sklaverei herrscht, wir sind frei, unsere Hände sind rein – scheinbar. Dennoch hat sich ein Journalist selbst der Sklaverei bezichtigt und angezeigt – aufgrund seines Schokoladenkonsums – aber warum das? Tatsächlich sind wir viel mehr darin verstrickt, als wir zunächst annehmen.

Sklavenarbeit steckt in einem unseren größten Konsumgütern, nämlich in der Schokolade. Wenn wir ehrlich sind, essen wir doch alle gerne mal das ein oder andere Rippchen Schokolade, ein kleines Stück Sünde – wie treffend dieser Ausdruck ist, zeigt sich bei näherem Hinschauen. Wir konsumieren Schokoladen in Massen, das ganze Jahr über, doch im Gegensatz zu Fleisch oder anderen tierischen Produkten ist das Interesse an der Herkunft und Verarbeitungsweise wesentlich geringer – oder habt ihr euch schon einmal überlegt, woher eure Schokolade kommt und wer in die Produktion involviert war? Nur wenigen ist bewusst, dass der Großteil, der im Supermarkt zu kaufenden Schokolade aus Kinder- und Sklavenarbeit stammt.

Doch wie kommt die Schokolade überhaupt zu uns?

60 % des weltweit produzierten Kakaos stammt von circa 2,5 Millionen Farmen aus Westafrika, vor allem aus Ghana und der Elfenbeinküste. Alles beginnt bei den Kakaobauern, die die Kakaoschoten pflanzen, ernten, fermatieren und die Kakaobohnen trocknen. Dafür erhalten alle Bauern einen Festpreis, der von den betreffenden Regierungen festgelegt wird und von den internationalen Kakaopreisen abhängt. Anschließend transportieren lokale Händler die Kakaobohnen zu Häfen in Westafrika. Von dort werden sie von Exporteuren zu weiteren Häfen befördert. Eine Handvoll internationale Kakaobohnenhändler und -verarbeiter kaufen die Bohnen. Schließlich verarbeiten Schokoladenhändler diese zu Kakaobutter, -masse und Kakaopulver, woraus sie Kuvertüre, also flüssige Schokolade herstellen. Diese wird wiederum für die Herstellung von Schokoladentafeln und anderen Produkten verwendet. Von LKWs werden die Tafeln in Geschäfte transportiert, wo wir sie kaufen können.

Doch wo liegt hier jetzt das Problem?

Große Schokoladenunternehmen wollen den Preis so niedrig wie möglich halten, um möglichst viel Umsatz zu machen, deshalb zahlen sie den Bauern niedrige Preise. Zu niedrige Preise, so dass diese nicht aus der Armut kommen. Außerdem produzieren viele Bauern nur etwa ein Drittel von dem, was sie eigentlich leisten könnten, da ihnen das nötige Wissen und die nötige Ausrüstung fehlen. Ein verschärfetes Problem stellt darüber hinaus natürlich die Kinderarbeit dar. Kinder werden gewaltsam auf Kakaoplantagen festgehalten und zum Arbeiten gezwungen, die Arbeiter erhalten nicht genügend Lohn, um nicht in Armut zu leben.

Was können wir nun dagegen tun?

Auf vielen Schokoladen, die man im Supermarkt kaufen kann, sind Zertifizierungssiegel zu sehen, wie zum Beispiel das UTZ-Siegel. Das bedeutet, dass gewisse Standards und Bedingungen eingehalten wurden, keine Kinderarbeit, keine Zerstörung von Lebensräumen und sichere Arbeitsbedingungen. Zertifizierte Schokolade, klingt also super. Doch leider kann man das so pauschal nicht sagen. Das Problem ist, dass alle Kakaobohnen auf einem Haufen gelagert werden, die zertifizierten, aber auch die unzertifizierten. So lässt sich das Ganze im Nachhinein nicht mehr unterscheiden. Kauft man also zertifizierte Schokolade, bedeutet das, dass irgendwo zertifizierte Bohnen gekauft wurden, es heißt aber nicht, dass diese Bohnen auch in der gekauften Schokolade sind.

Kann man also überhaupt noch Schokolade kaufen, die wirklich fair ist?

Die Antwort ist ja. Ein Beispiel dafür ist die Marke Tony‘s chocolonely, welche mit der Mission, Schokolade ohne Sklavenarbeit herzustellen, gegründet wurde. Falls ihr bei unserer Nikolausaktion der SMV teilgenommen habt, konntet ihr selbst schon eine Kostprobe genießen. Tony‘s chocolonely setzen sich für 100 % sklavenfrei hergestellte Schokolade ein und nutzen belgische fair-trade Vollmilchschokolade für ihre Produkte. Bei ihnen kann man die Kakaobohnen komplett zurückverfolgen, sie zahlen den Bauern einen Aufpreis, investieren in Genossenschaften. Sie arbeiten mindestens fünf Jahre mit den Bauern zusammen und ermutigen diese, ihre Ernte zu verbessern. So werden die Farmen profitabler und die Motivation der Arbeiter steigt ebenfalls.

Ihre Geschichte geht auf Teun van de Keuken, einen Journalisten, zurück, welcher sich als Schokoladenkonsument für die Sklaverei mitverantwortlich gefühlt und sich schließlich selbst angezeigt hat. Er sprach mit verschiedenen Unternehmen, diese konnten ihm jedoch nicht sagen, ob ihre Schokolade ohne Sklaverei produziert wurde, was für ihn unverständlich war. Er gründete daraufhin die Marke Tony’s Chocolonely, um Schokolade frei von Sklaverei zu produzieren. Vielleicht sollten wir in Zukunft auch kritischer sein und mehr darauf achten, welche Schokolade wir kaufen. Wenn wir also das nächste Mal vor dem Schokoladenregal stehen, sollten wir uns erst einmal klar machen, woher das, was wir kaufen wollen, kommt und uns nach Alternativen umzuschauen, mit dem Ziel die Sklaverei auch aus anderen Ländern zu verbannen. Denn Schokolade ist, so lecker sie auch sein mag, keine Sünde wert.

Mehr Infos findet ihr unter: https://tonyschocolonely.com/de/de/

 


Was ist eine Reportage?
Ähnlich wie auch der Bericht dienen Reportagen der Information des Lesers. Allerdings sind Reportagen insgesamt noch genauer – es sind beispielsweise ausführliche Hintergrundberichte enthalten oder der Sachverhalt wird anhand von konkreten Beispielen oder Personen veranschaulicht. Im Gegensatz zur Nachricht oder dem Bericht, bei welchen eine gewisse Distanz zum Sachverhalt gewahrt wird, kann eine Reportage auch emotionalisieren und einen Sachverhalt aus einer bestimmten Perspektive betrachten.

 

 

 

 

 

 


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